Regimentsgeschichte

Urheberrechtlich geschützter Text aus: Raimund Sulz, Hoch- und Deutschmeisterkapelle(n) von 1918 bis 1945 – Repräsentation ‚alter‘ Werte in einer neuen Zeit (ungedr. Diplomarbeit, Universität Wien 2018).

Die Geschichte des Regiments ist insofern schon eine besondere, als das Regiment als einziges von einem geistlichen Ritterorden, nämlich dem Deutschen Orden, mitbegründet worden ist. Dieser war im Mittelalter zur Verteidigung Jerusalems gegründet worden und fand nach der Vertreibung aus dem Heiligen Land zuerst in Venedig, dann im Baltikum als Deutschordensstaat einen neuen Ordenssitz. Noch heute zeugt die Marienburg dort von der Herrschaft des Ordens. Seither war der Deutschordensstaat im Heiligen Römischen Reich fest verankert und sollte die slawischen Völker im Osten für das Christentum missionieren. Die Leitung hatte ein „Hochmeister“ inne. Zudem wurde dem Orden das Recht eingeräumt, eroberte Länder als Lehen des Reiches zu erlangen. In den Türkenkriegen hatte der Orden zur Unterstützung des Kaisers Truppen zu stellen. Diese Truppen standen aber nur unregelmäßig im Dienst des Kaisers.[1] 1695 sollte sich das ändern: Es wurde ein Vertrag zwischen Leopold I. und dem Hoch- und Deutschmeister des Ordens Franz Ludwig Pfalzgrad zu Neuburg geschlossen, der besagte, dass auf Kosten des Ordens ein ständiges Regiment im Dienst des Kaisers stehen sollte. 1696 wurde dieses Regiment, aus 2000 Mann bestehend, in Donauwörth aufgestellt, erste Paraden folgten. Der jeweils amtierende Inhaber der Hoch- und Deutschmeisterwürde fungierte bis 1918 als Regimentsinhaber. Ab 1780 hatten diese Würde die Habsburger inne.  Zu Beginn nannte sich das Regiment „Pfalz-Neuberg-Teutschmeister“, später „Deutschmeister“ und 1814 wurde der Name auf „Hoch- und Deutschmeister“ geändert.

Nach der Aufstellung wurde das Regiment zum Kampf gegen die Türken nach Ungarn verlegt und bewährte sich dort in der Schlacht von Zenta (11.9.1697). Bis 1711 blieb das Regiment in Ungarn, um gegen den ungarischen Rebellen Rakoczi zu kämpfen. Es folgten Kämpfe an verschiedensten Orten in Europa: Spanische Niederlande, Ungarn, Italien und in den Reichsländern. Im Siebenjährigen Krieg erwarb sich das Regiment bei der Schlacht von Kolin (1757) große Meriten. Kurz danach bekamen alle Regimenter eine Nummer zugewiesen, dem Regiment wurde die Nummer 4 verliehen.  Am 6. April 1781 machte Kaiser Joseph II. das Regiment zum Wiener Hausregiment, die Wiener Vorstädte sollten das Haupteinzugsgebiet sein. Es folgte die Teilnahme an den langjährigen Koalitionskriegen gegen Frankreich (Schlacht bei Deutsch-Wagram 1809). In der Schlacht von Königgrätz (1866) bewährte sich das Regiment, indem Erzherzog Wilhelm (Inhaber 1863-1894) als einziger Regimentsinhaber persönlich an der Schlacht teilnahm.

Von da an bestand eine lange Friedensperiode, in welcher die Musik der „Wiener Edelknaben“ unter Kapellmeister Ziehrer und Wacek aufblühte. Unter dem letzten Regimentsinhaber Erzherzog Eugen wurde am 7. September 1896 die Grundsteinlegung des Deutschmeisterdenkmals bei der Wiener Roßauer Kaserne veranlasst, ein Jahr später wurde das Deutschmeister-Schützenkorps als Traditionsverein gegründet, der bald auch eine Traditionsmusik, bestehend aus Veteranen, unterhielt. Das Denkmal wurde zehn Jahre später am 29. September 1906 enthüllt. Das Ende des Ersten Weltkriegs beendete das bestehende Band zwischen dem habsburgischen Inhaber und dem Deutschen Orden. Das Regiment wurde am 10.11.1918 aufgelöst.

Der Deutsche Orden wurde später in einen rein geistlichen Orden umgewandelt. Später setzte das Wiener Regiment Nr. 4 die Tradition im Bundesheer der Ersten Republik fort. Dieses wurde 1938 auf die 44. Infanteriedivision der Deutschen Wehrmacht aufgeteilt.[2] Diese Division wurde im Zuge der Schlacht um Stalingrad aufgerieben, was ganz im Sinne der NS-Ideologie zu einem Heldenkampf stilisiert wurde. In einer Broschüre zur Aufstellung der Reichsgrenadier-Division Hoch- und Deutschmeister im Frühsommer 1943 heißt es: „Möge so die Reichsgrenadier-Division ‚Hoch- und Deutschmeister‘ des alten K.u.K. Inf. Regimentes ‚Hoch- und Deutschmeister‘ Nr. 4 und der ruhmreichen, in Stalingrad aufs höchste bewährten 44. Inf. Division immer würdig sein.“[3] Im Bundesheer der Zweiten Republik wurde die Deutschmeistertradition vom Landwehrstammregiment 21 und dem Jägerregiment Wien gepflegt. Derzeit wird die Tradition vom Jägerbataillon Wien 1, einem Milizverband, fortgesetzt.[4]



[1] Ludwig Jedlicka, Hoch- und Deutschmeister. 700 Jahre deutsches Soldatentum (Wien/Leipzig 1944) 7-16.

[2] Bernhard Demel, Der deutsche Orden und das Regiment Hoch- und Deutschmeister von 1695 bis 1918. Überblick und neue Erkenntnisse. In: Deutschmeisterbund (Hg.), 300 Jahre Regiment „Hoch- und Deutschmeister“ (Beiträge zur österreichischen Militärgeschichte, zweite erw. und verb. Auflage 21999) 13 - 36.

[3] Deutsches Reich (Hg.), 1.Juni 1943. Reichsgrenadier-Division Hoch- und Deutschmeister (Im Felde 1943) 3.

[4] Verein „Freunde des Deutschmeisterbataillons“, K.u.k. Niederösterreichisches Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4, online unter: https://www.deutschmeisterbataillon.com/geschichte/ (5.7.2018).

 

Deutschmeisterdenkmal bei der Rossauer Kaserne - © Bwag/CC-BY-SA-4.0